Das Wort Resilienz klingt nach Fachbegriff. Nach etwas, das man erwerben oder trainieren müsste. Dabei beschreibt es nur, was die meisten Menschen ohnehin tun: weitermachen, wenn es schwierig wird.
Wenn jemand sagt, er arbeite an seiner Resilienz, entsteht der Eindruck eines Projekts. Als wäre da eine Lücke, die geschlossen werden muss. Als bräuchte es eine besondere Eigenschaft, um mit den üblichen Widrigkeiten zurechtzukommen. Der Begriff verspricht etwas Besonderes, obwohl er etwas Gewöhnliches meint.
Was der Begriff verspricht
Resilienz wird gern als Kompetenz präsentiert. Als Fähigkeit, die einen stabiler macht, belastbarer, widerstandsfähiger gegen Krisen. Es gibt Kurse dafür, Ratgeber, Trainings. Der Begriff hat sich einen Platz erobert zwischen anderen Konzepten, die versprechen, das Leben kontrollierbarer zu machen.
Das Problem ist nicht der Begriff selbst. Das Problem ist, was er suggeriert: dass normale Schwierigkeiten außergewöhnliche Kräfte erfordern. Dass jemand, der nicht resilient genug ist, möglicherweise scheitert. Dass es nicht reicht, einfach durchzukommen – man muss auch noch gut darin sein.
Die Banalität des Weitermachens
Jemand verliert den Arbeitsplatz und sucht einen neuen. Eine Beziehung endet, und nach einer Weile ist man wieder offen für andere Menschen. Eine Krankheit zwingt zu Einschränkungen, und man arrangiert sich damit, so gut es geht.
Das ist Resilienz. Nicht als Leistung, sondern als das, was passiert, wenn man keine andere Wahl hat. Nicht als besondere Stärke, sondern als das Normalste der Welt: dass Menschen sich anpassen, weil sie es müssen.
Die Vorstellung, man müsse dafür trainieren, verfehlt den Punkt. Resilienz ist nicht etwas, das man aufbaut. Sie ist das, was übrig bleibt, wenn die Dinge schiefgehen und man trotzdem weiterlebt.
Der Unterschied zwischen Durchkommen und Durchhalten
Es gibt einen Unterschied zwischen jemandem, der durch eine schwierige Phase kommt, und jemandem, der sich ständig beweisen muss, dass er stark genug ist. Der erste macht einfach weiter. Der zweite macht Resilienz zu einem Maßstab.
Wer sich fragt, ob er resilient genug ist, hat bereits begonnen, das eigene Durchkommen zu bewerten. Als wäre es nicht genug, einfach zurechtzukommen. Als müsste man dabei auch noch eine gute Figur machen.
Das erzeugt einen merkwürdigen Druck. Nicht nur die Schwierigkeit selbst ist eine Belastung, sondern auch die Erwartung, angemessen damit umzugehen. Nicht zu sehr leiden. Nicht zu lange brauchen. Nicht zu viel klagen.
Wenn Alltägliches nach Programm klingt
Der Begriff Resilienz verwandelt etwas Selbstverständliches in eine Aufgabe. Was früher einfach das Leben war – mit seinen Höhen und Tiefen, seinen Anpassungen und Neuanfängen – bekommt einen Namen. Und mit dem Namen kommt die Idee, man könnte daran arbeiten.
Das ist nicht grundsätzlich falsch. Nur verschiebt es den Fokus. Statt zu akzeptieren, dass Schwierigkeiten Teil des Lebens sind, entsteht der Eindruck, man müsse sich wappnen. Statt durchzukommen, wie es eben geht, soll man durchkommen, wie es sein sollte.
Die Frage nach dem Maß
Manche Menschen kommen gut durch schwierige Zeiten. Andere brauchen länger. Manche finden schnell wieder Halt, andere nicht. Das ist keine Frage der Resilienz, sondern der Umstände, der Unterstützung, der individuellen Konstitution.
Wer den Begriff ernst nimmt, könnte auf die Idee kommen, es läge an ihm selbst, wenn das Durchkommen schwerfällt. Als wäre Resilienz eine Eigenschaft, die man entweder hat oder nicht hat. Als könnte man sie trainieren wie einen Muskel.
Aber vielleicht ist Resilienz gar nichts, was man besitzt. Vielleicht zeigt sie sich einfach darin, dass man am nächsten Tag aufsteht. Dass man weitergeht, auch wenn man nicht weiß, wohin. Dass man irgendwie zurechtkommt, ohne dass es ein Programm dafür braucht.
Was übrig bleibt
Resilienz als Begriff ist nützlich, um ein Phänomen zu beschreiben. Als Anforderung ist er fragwürdig. Niemand muss besonders resilient sein, um ein gewöhnliches Leben zu führen. Es reicht, wenn man mit dem klarkommt, was kommt.
Die Alltagstauglichkeit von Resilienz liegt nicht darin, ein Ideal zu erreichen. Sie liegt darin, dass die meisten Menschen ohnehin durchkommen. Ohne viel Aufhebens. Ohne besondere Vorbereitung. Einfach weil es weitergeht.